Massgeschneiderte Medizin dank KI: Die Lösung von Metadvice, Gewinnerin der HIN & SHS Innovation Challenge

Massgeschneiderte Medizin dank KI: Die Lösung von Metadvice, Gewinnerin der HIN & SHS Innovation Challenge

Philipp Senn
Philipp Senn

Ende Juni 2024 hat die erste Edition der HIN & SHS Innovation Challenge stattgefunden. Mit diesem Wettbewerb sollen Startups gefördert werden, die mit ihren Lösungen einen Beitrag zur digitalen Zusammenarbeit und Vernetzung und damit zu Effizienz im Schweizer Gesundheitsmarkt leisten wollen. Gewonnen hat das Startup Metadvice. Wie sie zu diesen Zielen beiträgt, erfahren Sie im Interview mit André Jaun, Co-Founder und CTO von Metadvice.

Wie und wann entstand die Idee für Metadvice? Gab es ein bestimmtes Ereignis oder einen Auslöser, der Sie inspiriert hat?

Die Idee für Metadvice entstand aus persönlichen Erfahrungen in der Familie. Wir standen vor medizinischen Herausforderungen, bei denen die konventionelle Leitlinienmedizin nicht ausreichte, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Diese Situationen verdeutlichten uns die Notwendigkeit der Individualisierung therapeutischer Entscheidungen.

Durch unseren Zugang zu erstklassigen Spezialisten und unserem Verständnis von künstlicher Intelligenz erkannten wir, dass KI ein mächtiges Werkzeug für Ärzte sein könnte, um personalisierte und präzisere medizinische Entscheidungen zu treffen. Wir sahen die Möglichkeit, die Medizin voranzutreiben, indem wir Ergebnisse aus der realen Welt einbeziehen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern.

Unser Ziel ist es, die Effizienz für medizinisches Personal zu steigern, indem wir beispielsweise Informationen zur richtigen Zeit bereitstellen und Qualitätssicherungsmassnahmen unterstützen. Wir wollen die Kosten für Kostenträger senken, etwa durch die Vermeidung unnötiger Krankenhausüberweisungen. Letztendlich steht das Wohl des Patienten im Mittelpunkt, indem wir wirksame Therapien identifizieren und personalisierte Behandlungsansätze fördern.

Welche spezifischen Probleme im Gesundheitswesen adressiert Metadvice? Wie unterscheidet sich Ihre Lösung von bestehenden Ansätzen?

Metadvice unterstützt Ärzte bei der Prognose und Behandlung chronischer Krankheiten (Typ-2-Diabetes, Blutdruck, Hypercholesterinämie, chronische Nierenerkrankung, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, polyzystische Ovarien) und deren Begleiterkrankungen, die in Leitlinien oft nicht ausreichend berücksichtigt werden.

 Unsere Lösung zeichnet sich durch einen umfassenden und flexiblen Ansatz aus, der sowohl in dezentralen als auch zentralisierten Gesundheitssystemen funktioniert. In dezentralen Systemen wie in der Schweiz versorgen wir Ärzte rechtzeitig mit wichtigen Informationen, um sie bei komplexen Entscheidungen zu unterstützen, da sie oft vielfältige und komplexe Krankheitsbilder behandeln müssen. In zentralisierten Systemen wie den HMOs (Health Maintenance Organizations) in den USA oder dem NHS (National Health Service) in Grossbritannien ermöglicht unser Analysetool eine gezielte Stratifizierung der Bevölkerung. Wir segmentieren Bevölkerungsgruppen nach Risiko oder Reaktionsverhalten, um sicherzustellen, dass Patienten mit hohem Risiko oder schlechter Reaktion auf Behandlungen rechtzeitig zum Arzt zurückkehren. Dies hilft, unnötige Komplikationen zu vermeiden und die Gesundheitsversorgung zu optimieren.

Wie verbessert Ihre Lösung das Leben von Patienten oder das Arbeiten von Fachkräften im Gesundheitswesen? Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie die HIN Community von Ihrer Lösung profitieren wird?

Ein Beispiel für den Nutzen unserer Lösung ist unser klinisches Modul für Typ-2-Diabetes, das in Zusammenarbeit mit Innosuisse und dem Inselspital für die Schweiz entwickelt wurde. Dieses Modul unterstützt Hausärzte bei der effektiven Behandlung von Typ-2-Diabetes, ohne auf systematische Überweisungen an Spezialisten angewiesen zu sein. Patienten profitieren von besserer Krankheitskontrolle und höherer Lebensqualität. Zudem ermöglicht es Hausärzten, integrativere Behandlungsansätze zu verfolgen und die Versorgung effizienter zu koordinieren.

«Ein Beispiel für den Nutzen unserer Lösung ist unser klinisches Modul für Typ-2-Diabetes, das in Zusammenarbeit mit Innosuisse und dem Inselspital für die Schweiz entwickelt wurde.»

Welche Technologien setzen Sie ein, um Ihre Lösung zu entwickeln und zu betreiben? Warum haben Sie sich für diese Technologien entschieden?

Wir nutzen Cloud-Computing und neuronale Netzwerke. Diese Technologien ermöglichen es uns, komplexe Datenanalysen durchzuführen und aus unstrukturierten Berichten wertvolle Informationen zu extrahieren. Neuronale Netzwerke sind besonders gut geeignet, um Muster in grossen Datenmengen zu erkennen und präzise klinische Empfehlungen zu generieren. Cloud-Computing bietet uns die notwendige Skalierbarkeit und Flexibilität, um unsere Rechenressourcen effizient zu verwalten und sicherzustellen, dass unsere Lösung mit den wachsenden Anforderungen umgehen kann.

Für die Interaktion mit den Ärzten haben wir uns entschieden, eine benutzerfreundliche App zu entwickeln, die in gängigen Webbrowsern läuft. Diese Entscheidung ermöglicht es uns, eine intuitive und zugängliche Benutzeroberfläche zu bieten, ohne dass zusätzliche Software installiert werden muss. Dies erleichtert die Integration in den Arbeitsalltag der Ärzte und sorgt für eine nahtlose Nutzung.

Was hat Sie dazu bewogen, sich für die HIN & SHS Innovation Challenge zu bewerben? Was nehmen Sie von dieser Erfahrung mit?

Obwohl wir noch kein umfassendes Vertriebsnetz in der Schweiz planen, bietet HIN als etablierter Partner idealen Zugang zu einer breiten Basis von Schweizer Ärztinnen und Ärzten und gewährleistet hohe Datenschutzstandards, was für uns entscheidend ist. Die enge Zusammenarbeit mit HIN stellt sicher, dass wir aus datenschutzrechtlicher Perspektive optimal unterstützt werden.

Die Teilnahme an der Innovation Challenge hat uns wertvolle Einblicke und Kontakte verschafft, die unser Netzwerk erweitern und die Weiterentwicklung unserer Lösung unterstützen. Zudem hat uns die Erfahrung gezeigt, wie wichtig es ist, starke Partnerschaften zu pflegen und die richtigen Akteure in der Branche zu identifizieren, um unsere Ziele erfolgreich umzusetzen.

Insgesamt nehmen wir aus dieser Erfahrung nicht nur wertvolle fachliche Rückmeldungen mit, sondern auch eine verstärkte Bestätigung, dass wir mit unserer Lösung auf dem richtigen Weg sind.

«Die Teilnahme an der Innovation Challenge hat uns wertvolle Einblicke und Kontakte verschafft, die unser Netzwerk erweitern und die Weiterentwicklung unserer Lösung unterstützen.»

Welche Vision haben Sie für die Zukunft von Metadvice und wie planen Sie, diese mit dem Preis der HIN & SHS Innovation Challenge zu erreichen?

Unsere Vision ist es, ein führendes Instrument zur Personalisierung und Optimierung der medizinischen Versorgung sowohl in Grossbritannien als auch in der Schweiz zu werden. In Grossbritannien streben wir an, die Anzahl der NHS (National Health Service) Patienten auf unserer Plattform bis Ende 2024 von derzeit 200 000 auf 500 000 zu erhöhen. Diese Expansion wird durch kontinuierliche Verbesserung unserer Technologien und durch strategische Partnerschaften unterstützt.

In der Schweiz planen wir, zunächst mit einer kleinen Gruppe von „Early Adopters“ zu starten. Dies ermöglicht es uns, den kommerziellen Wert und die Vorteile unserer Lösung allen beteiligten Interessengruppen überzeugend zu demonstrieren. Durch diese frühen Partnerschaften können wir wertvolle Feedbacks sammeln und unsere Lösung weiter verfeinern, um sicherzustellen, dass wir den Bedürfnissen des Marktes optimal gerecht werden.

Der Preis der HIN & SHS Innovation Challenge wird uns dabei helfen, diese Ziele zu erreichen. Mit der Unterstützung von HIN können wir unsere Präsenz in der Schweiz stärken, unsere Lösung weiterentwickeln und effektiver mit wichtigen Akteuren im Gesundheitswesen zusammenarbeiten. Dies wird uns ermöglichen, unsere Vision von einer massgeschneiderten, effizienten medizinischen Versorgung erfolgreich umzusetzen.

André Jaun

André Jaun

André begann seine Karriere als Kernfusionsforscher an der EPFL und wurde später ausserordentlicher Professor für Wissenschaftliches Rechnen an der KTH in Stockholm. 2006 wechselte er in die Finanzmärkte und arbeitete bei der Morgan Creek/Signet-Gruppe, wo er ab 2014 neuronale Netzwerke für den Eigenhandel einsetzte. 2019 gründete er zusammen mit Richard Barker und Serge Umansky das Startup Metadvice, wo er derzeit ein Team erfahrener Datenwissenschaftler in St-Sulpice (VD) leitet.

Metadvice

Gegründet im Jahr 2019 von André Jaun, Richard Barker und Serge Umansky, entwickelt Metadvice fortschrittliche Lösungen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. In Zusammenarbeit mit Partnern wie Innosuisse und dem Inselspital bietet Metadvice Ärzten Werkzeuge für präzisere Diagnosen und effizientere Behandlungen. Das Unternehmen setzt sich dafür ein, die Gesundheitsbranche nachhaltig zu verändern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Philipp Senn
Autor: Philipp Senn - Leiter Kommunikation

Sprache und Informationstechnik haben mich schon immer fasziniert – bei HIN kann ich beides verbinden. Als Leiter Kommunikation bei HIN und «nebenamtlicher» Referent für die HIN Academy möchte ich unseren Lesern vielschichtige Aspekte der digitalen Transformation vermitteln und ihr Bewusstsein für die damit zusammenhängenden Fragen der IT-Sicherheit schärfen.

Expertise
Sprache und Informationstechnik haben mich schon immer fasziniert – bei HIN kann ich beides verbinden. Als Kommunikationsspezialist habe ich in der IT, im Verbandswesen und in der öffentlichen Verwaltung Erfahrung gesammelt. Als Leiter Kommunikation bei HIN und «nebenamtlicher» Referent für die HIN Academy möchte ich unseren Lesern vielschichtige Aspekte der digitalen Transformation vermitteln und ihr Bewusstsein für die damit zusammenhängenden Fragen der IT-Sicherheit schärfen.

Redaktionelle Inhalte
Im HIN Blog informiere ich über aktuelle Entwicklungen bei HIN, stelle Persönlichkeiten und Meinungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen vor und berichte über E-Health und Datensicherheit. Ich führe Interviews mit Exponenten der Branche oder recherchiere Hintergrundinformationen – und gebe Ihnen so einen Einblick hinter die Kulissen.

Ganz persönlich
(Fremd-)Sprachen und Technik stehen bei mir auch privat hoch im Kurs, sei es bei Reisen in ferne und weniger ferne Gefilde oder kleinen Bastelprojekten in Haus und Garten. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie. Ich lache gern und bin für ein spannendes Gespräch unter Freunden, Kollegen oder Bekannten immer zu haben.

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