Die Finalisten der HIN & SHS Innovation Challenge: PlaynVoice – der KI-Assistent für die Praxis

Die Finalisten der HIN & SHS Innovation Challenge: PlaynVoice – der KI-Assistent für die Praxis

Philipp Senn
Philipp Senn

Ende Juni hat die erste Edition der HIN & SHS Innovation Challenge stattgefunden. Dieser Wettbewerb, der in Zusammenarbeit mit Swiss Healthcare Startups (SHS) lanciert wurde, verfolgt das Ziel, Startups zu fördern, die mit ihren Lösungen einen Beitrag zur digitalen Zusammenarbeit und Vernetzung und damit zur Effizienz im Schweizer Gesundheitsmarkt leisten wollen. Unter den Finalisten, die ihre Lösung vor der Jury präsentierten, befand sich auch das Startup PlaynVoice, das einen KI-Assistenten zur Unterstützung der Dokumentation im Gesundheitswesen entwickelt hat. Im Interview mit Samuel Siegfried erfahren Sie, was die Gründer dazu bewogen hat, dieses Startup zu gründen, und was ihr Beitrag zur effizienten Digitalisierung des Gesundheitswesens ist.

Wie und wann entstand die Idee für PlaynVoice? Gab es ein bestimmtes Ereignis oder einen Auslöser, der Sie inspiriert hat?

Die Idee zu PlaynVoice war ein Entwicklungsprozess. Was ursprünglich als Voicebot für die Telefonie konzipiert wurde, entwickelte sich nach intensiven Gesprächen mit verschiedenen Gesundheitsdienstleistern – von Dorfpraxen bis zu Universitätskliniken – weiter. Diese Gespräche führten uns zum eigentlichen Kernproblem: hoher administrativer Aufwand, der durch den zunehmenden Fachkräftemangel weiter verschärft wird.

Erste Tests zur automatisierten Dokumentation von Patientengesprächen lieferten überraschend positive Ergebnisse. Nach mehr als 100 Interviews und inspiriert von innovativen Ansätzen aus den USA, passten wir die Lösung für die Schweiz an. Dabei mussten wir besonders Wert auf die speziellen Datenschutzanforderungen und die Herausforderung der Transkription des «Schwizerdütsch» legen. Aus dieser Entwicklung ging schliesslich PlaynVoice hervor, ein innovatives Tool zur effizienten medizinischen Dokumentation.

Was hat Sie dazu motiviert, gerade im Gesundheitswesen ein Startup zu gründen? Gab es persönliche Erfahrungen oder Beobachtungen, die Sie gemacht haben?

Als Software-Spezialisten bringen wir Gründer vielfältige Erfahrungen aus verschiedenen Branchen mit, insbesondere aus dem Finanzsektor, der in den letzten zehn Jahren einen beeindruckenden digitalen Wandel erlebt hat. Was einst als „unmöglich“ galt, ist heute gelebte Realität, wie Twint oder MoneyPark zeigen.

Im Gegensatz dazu hinkt das Gesundheitswesen in Sachen Digitalisierung noch deutlich hinterher. Die Gründe dafür sind vielfältig: von der Komplexität der Systeme über strenge Datenschutzanforderungen bis hin zum Veränderungswiderstand. Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz eröffnet nun jedoch ungeahnte Möglichkeiten, einem überlasteten Berufsfeld effektiv Unterstützung zu bieten. Unser Ziel ist es, zur Transformation beizutragen, indem wir Fachpersonen mehr Zeit für ihre Patienten und sich selbst verschaffen.

Welche spezifischen Probleme im Gesundheitswesen adressiert PlaynVoice?

PlaynVoice entwickelt eine Software zur Automatisierung der medizinischen Dokumentation, die Psychiaterinnen und Therapeuten in Praxen und Kliniken entlastet. In vielen Gesundheitseinrichtungen fliessen bis zu 30 Prozent der Arbeitszeit in administrative Tätigkeiten statt in die direkte Patientenversorgung. Gesundheitsdienstleister verwenden viel Zeit damit, Notizen anzufertigen, Daten in elektronische Systeme einzugeben und medizinische Dokumente neu zu formatieren. Diese zeitaufwendigen Prozesse können die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigen, das Risiko für Fehler erhöhen und lange Wartezeiten verursachen.

Die benutzerfreundliche App von PlaynVoice löst dieses Problem, indem sie Patientengespräche transkribiert und automatisch strukturierte Dokumente wie Verlaufseinträge und Berichte erstellt. Dadurch reduziert PlaynVoice die Belastung durch Dokumentation und schafft mehr Zeit für die eigentliche Patientenversorgung.

«In vielen Gesundheitseinrichtungen fliessen bis zu 30 Prozent der Arbeitszeit in administrative Tätigkeiten statt in die direkte Patientenversorgung.»

Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie die HIN Community von Ihrer Lösung profitieren wird?

Als Startup mit begrenzten Ressourcen ist für uns entscheidend, den Fokus klar zu setzen. Deshalb konzentrieren wir uns derzeit hauptsächlich auf den Bereich der mentalen Gesundheit (Psychologie, Therapie und Psychiatrie) sowohl im niedergelassenen als auch im klinischen Umfeld. In diesen Bereichen speilt die Beziehung zwischen Therapeutin und Patient eine zentrale Rolle, weshalb häufig mit Handnotizen gearbeitet wird. Diese Notizen werden oft erst später, manchmal sogar erst am Wochenende, in die digitale Patientenakte übertragen.

Unsere Lösung, PlaynVoice, automatisiert diesen Prozess und spart so mehrere Stunden pro Woche, die stattdessen in die Behandlung der Patientinnen oder die Selbstfürsorge der Therapeuten investiert werden können. Zudem werden Stift und Papier oft als Barriere in der Kommunikation empfunden. Diese wird durch PlaynVoice beseitigt und verbessert die Therapeut-Patient-Interaktion zusätzlich.

Erste Feedbacks deuten darauf hin, dass PlaynVoice in besonders belasteten Bereichen wie psychologischen Abklärungen, die sehr dokumentationsintensiv sind, sogar zur Verkürzung der Patientenwartezeiten beitragen kann. Auf diese Weise unterstützt unsere Lösung nicht nur das Wohlbefinden der Fachkräfte, sondern trägt auch direkt zur Verbesserung der Patientenversorgung bei.

Welche Technologien setzen Sie ein, um Ihre Lösung zu entwickeln und zu betreiben? Warum haben Sie sich für diese Technologien entschieden?

PlaynVoice ist mit jedem Smartphone kompatibel und nutzt eine sichere Cloud-Technologie in Kombination mit einer Kette von KI-Modellen. Zuerst wird der Dialog transkribiert, danach anonymisiert (ein wesentlicher Aspekt des Datenschutzes) und den jeweiligen Sprechern zugeordnet. Abschliessend generieren Large Language Models (LLMs) die Notizen und Dokumente. Das System unterstützt alle Schweizer Landessprachen, einschliesslich Schweizerdeutsch und Englisch.  Da es sich bei den Audioaufnahmen um hochsensible biometrische Daten handelt, werden sie nach der Transkription gelöscht. Um die höchsten Standards in Bezug auf Sicherheit und Zuverlässigkeit zu erfüllen, ist das gesamte Produkt auf Microsoft-Infrastruktur aufgebaut. Alle Daten werden ausschliesslich auf Servern in der Schweiz gespeichert, was maximale Sicherheit gewährleistet.

Was hat Sie dazu bewegt sich für den HIN & SHS Innovation Challenge zu bewerben? Was nehmen Sie von dieser Erfahrung mit?

Weil wir fest davon überzeugt sind, dass unsere KI-gestützte Lösung für die medizinischen Dokumentation perfekt zu den Dienstleistungen von HIN passt. Durch diese Erfahrung konnten wir vom Netzwerk und Know-how von HIN profitieren, insbesondere in Bezug auf die sichere und effiziente Handhabung medizinischer Daten, was für uns von höchster Priorität ist.

Diese Synergie unterstützt uns dabei, unsere Lösung zu verbessern und die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzutreiben. Der Austausch mit und wertvolle Input von verschiedenen Experten war für uns bereits sehr lehrreich. Wir stehen jedoch noch am Anfang und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.

«Durch diese Erfahrung konnten wir vom Netzwerk und Know-how von HIN profitieren, insbesondere in Bezug auf die sichere und effiziente Handhabung medizinischer Daten, was für uns von höchster Priorität ist.»

Welche Vision haben Sie für die Zukunft von PlaynVoice und wie planen Sie, diese zu erreichen?

In den kommenden Monaten werden wir uns darauf konzentrieren, den Mehrwert für unsere Kerngruppe im Bereich der mentalen Gesundheit weiter auszubauen. Dazu gehört die Verbesserung bestehender Funktionen sowie die Entwicklung neuer Module in enger Zusammenarbeit mit unseren Nutzern. Besonders das Berichtswesen (Anamnese, Eintritt, Austritt, Verlängerung, IV, etc.) steht jetzt im Fokus.

Mittelfristig sehen wir bereits verschiedene Optionen: Entweder erweitern wir unser Angebot für andere Fachrichtungen mit hohem Dokumentationsaufwand wie etwa Allgemeinmedizin oder Neurologie, oder wir spezialisieren uns weiter und entwickeln ein umfassendes Praxis-Informationssystem für mentale Gesundheit, das auch Diagnoseunterstützung bietet.

PlaynVoice

PlaynVoice entwickelt eine Software zur Automatisierung der Dokumentation für Ärztinnen und Therapeuten. Die benutzerfreundliche App transkribiert Patientengespräche und erstellt daraus automatisch strukturierte Dokumente wie Verlaufseinträge und Berichte. Ziel ist es, die stetig wachsende administrative Belastung im Gesundheitswesen erheblich zu reduzieren. PlaynVoice ist 100 Prozent konform mit dem Schweizer Datenschutzgesetz und unterstützt alle Landessprachen einschliesslich Schweizerdeutsch. Derzeit findet PlaynVoice vor allem im Bereich der mentalen Gesundheit Anwendung und ermöglicht es Therapeuten, mehrere Stunden pro Woche einzusparen und sich besser auf die Behandlung und Betreuung der Patienten zu fokussieren.

Samuel Siegfried

Samuel Siegfried

Im Jahr 2023 gründete Samuel Siegfried gemeinsam mit zwei Partnern das Startup PlaynVoice, mit dem Ziel, das Gesundheitswesen bei der Dokumentation durch einen KI-Assistenten effizient zu unterstützen. Zuvor sammelte er über zehn Jahre Erfahrung im Aufbau von B2B-Software-as-a-Service-Unternehmen, darunter bei Frontify und Pleo. Darüber hinaus war er in der strategischen Unternehmensberatung bei McKinsey tätig.

Philipp Senn
Autor: Philipp Senn - Leiter Kommunikation

Sprache und Informationstechnik haben mich schon immer fasziniert – bei HIN kann ich beides verbinden. Als Leiter Kommunikation bei HIN und «nebenamtlicher» Referent für die HIN Academy möchte ich unseren Lesern vielschichtige Aspekte der digitalen Transformation vermitteln und ihr Bewusstsein für die damit zusammenhängenden Fragen der IT-Sicherheit schärfen.

Expertise
Sprache und Informationstechnik haben mich schon immer fasziniert – bei HIN kann ich beides verbinden. Als Kommunikationsspezialist habe ich in der IT, im Verbandswesen und in der öffentlichen Verwaltung Erfahrung gesammelt. Als Leiter Kommunikation bei HIN und «nebenamtlicher» Referent für die HIN Academy möchte ich unseren Lesern vielschichtige Aspekte der digitalen Transformation vermitteln und ihr Bewusstsein für die damit zusammenhängenden Fragen der IT-Sicherheit schärfen.

Redaktionelle Inhalte
Im HIN Blog informiere ich über aktuelle Entwicklungen bei HIN, stelle Persönlichkeiten und Meinungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen vor und berichte über E-Health und Datensicherheit. Ich führe Interviews mit Exponenten der Branche oder recherchiere Hintergrundinformationen – und gebe Ihnen so einen Einblick hinter die Kulissen.

Ganz persönlich
(Fremd-)Sprachen und Technik stehen bei mir auch privat hoch im Kurs, sei es bei Reisen in ferne und weniger ferne Gefilde oder kleinen Bastelprojekten in Haus und Garten. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie. Ich lache gern und bin für ein spannendes Gespräch unter Freunden, Kollegen oder Bekannten immer zu haben.

Weitere Artikel von Weitere Artikel von Philipp Senn