«Digitale Lösungen müssen als beherrschbar erlebt werden»

«Digitale Lösungen müssen als beherrschbar erlebt werden»

Stefan Müller
Stefan Müller

Anna Jörger forscht im Fachbereich Mensch im Alter bei CURAVIVA Schweiz. Im Gespräch erzählt sie über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung im Bereich Pflege und Unterstützung.

Stefan: Frau Jörger, welche Chancen bietet die Digitalisierung für den Bereich Pflege und Unterstützung?

Anna Jörger: Im Bereich Pflege und Betreuung sprechen wir von «Assistierenden Technologien», wobei wir analoge von digitalen Technologien unterscheiden. Diese können entweder Menschen direkt bei der Kompensation von Funktionseinschränkungen helfen und ihnen so ein möglichst autonomes Leben ermöglichen, oder sie können die Pflegenden und Betreuenden bei ihrer Arbeit entlasten, insbesondere bei schwerer körperlicher Tätigkeit oder administrativen Aufgaben. Somit bergen Assistierende Technologien grosses Potenzial für den Bereich des selbstständigen oder betreuten Wohnens, aber natürlich auch für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Unterstützungsbedarf in Alters- und Pflegeinstitutionen.

Wie lassen sich E-Health-Lösungen in diesem Kontext einordnen?

Analog zur zunehmenden Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in unserer gesamten Gesellschaft sind diese auch für die (digitalen) Assistierenden Technologien heute zentral. Die Bandbreite der Beispiele ist gross, man denke etwa an die Videotelefonie, Notrufsysteme oder elektronische Dokumentationssysteme. Im Kontext von Pflege und Betreuung dienen diese Lösungen häufig der Vernetzung von Gesundheitsfachpersonen und dem Austausch von Gesundheitsinformationen. Hier sprechen wir dann von E-Health-Anwendungen. Diese Lösungen können Mehrwert bieten, indem sie administrative Aufgaben in den Institutionen sowie die Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsfachpersonen erleichtern. In den Institutionen heute recht gut etablierte Beispiele sind die elektronische Pflegedokumentation oder das Monitoring von Vitaldaten. Auch in Bezug auf Sicherheit und Qualität bieten E-Health-Lösungen Chancen, zum Beispiel für die Medikations- und Behandlungssicherheit.

Und vor welche Herausforderungen stellt die Digitalisierung den Pflegebereich?

Der Erfolg einer technologischen Lösung steht und fällt mit dem Nutzen, der aus der Anwendung gezogen werden kann. Ganz eng damit verbunden geht es darum, die Bedürfnisse der Menschen mit Unterstützungsbedarf ins Zentrum zu stellen. Wir müssen wegkommen von der Vorstellung, was Technik alles kann. Vielmehr sollte an erster Stelle die Frage stehen, was eine Person in einer gewissen Situation braucht. Erst danach darf es darum gehen, wie Technologien Unterstützung bieten können. Das gilt für Alarmsysteme ebenso wie für das Elektronische Patientendossier.

Auch das Thema fehlender integrierter Lösungen ist häufig ein Problem: Oft gibt es zahlreiche parallel funktionierende Produkte und Services, die nicht miteinander kommunizieren. Dabei sind Schnittstellen zwischen den Systemen elementar, um für effiziente Arbeitsprozesse zu sorgen.

Welche Anforderungen müssen digitale Lösungen Ihrer Meinung nach erfüllen, damit sie sich durchsetzen?

Egal, ob es sich um Lösungen für Bewohnende von Pflegeinstitutionen oder betreuten Wohnsettings, für Gesundheitsfachpersonen oder für Betreuende handelt: Technologische Lösungen werden nur genutzt, wenn sie auf Akzeptanz stossen. Wesentlich für die Akzeptanz ist einerseits der wahrgenommene Nutzen: Die Lösung muss einen spürbaren Mehrwert bieten und entsprechend nicht nur die Anschaffungskosten wert sein, sondern auch das Erlernen des Umgangs mit der Technologie. Wird eine technologische Lösung etwa mehr als Last als Entlastung empfunden, ist fraglich, wie es um die Akzeptanz und damit letztlich die tatsächliche Nutzung der Lösung im Alltag steht. Für die Akzeptanz sind zudem die Bedienbarkeit und Nutzerfreundlichkeit von Technologien elementar, und zwar umso mehr, wenn die Technologie im privaten Anwendungssetting genutzt wird. Eng damit zusammen hängt auch, dass die Nutzenden die Technologie in gewissem Sinn als «beherrschbar» erleben müssen. Kaum etwas ist der Akzeptanz abträglicher als das Gefühl, dass der Mensch die Kontrolle über die Technologie verloren hat und dass diese den Menschen beherrscht.

Gerade in Bezug auf E-Health-Lösungen sorgen sich viele Patienten, ihre Gesundheitsdaten könnten nicht genügend geschützt sein. Wie wird dem im Pflegebereich Rechnung getragen?

Der Datenschutz und das Vertrauen der Bewohnenden und Patientinnen und Patienten, dass dieser jederzeit gewährleistet ist, sind elementar bei allen technischen Lösungen. Bei E-Health-Lösungen, bei denen es um den Austausch von gesundheitsbezogenen und damit besonders sensiblen Daten geht, trifft dies in besonderem Mass zu. Institutionen haben diesbezüglich klare Vorgaben, die sie umsetzen müssen. Dazu gehört auch die verschlüsselte Punkt-zu-Punkt-Kommunikation. Diese möchten wir von CURAVIVA Schweiz unseren Mitgliederinstitutionen erleichtern. Deshalb haben wir in Zusammenarbeit mit Partnerverbänden und HIN eine Verbandslösung für den HIN Anschluss realisiert.

Wie unterstützt Curaviva die ihr angeschlossenen Institutionen sonst noch bei der Digitalisierung?

Für viele Institutionen ist es herausfordernd, sich im Wald der verfügbaren Technologien zurechtzufinden und die für den institutionellen Alltag wesentlichen Informationen zu erhalten. Hier bieten wir diverse Hilfestellungen und Informationen an: So gibt es auf unserer Website Themendossiers zu den Assistierenden Technologien und zu eHealth und dem EPD sowie spezifische Arbeitsinstrumente, die im Kontext der Digitalisierung Unterstützung bieten können. Zudem bieten wir diverse Dienstleistungen wie Branchenlösungen, Beratungsdienste und ein Beraternetzwerk an.

Über CURAVIVA


CURAVIVA ist der nationale Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Er vertritt über 2’700 Institutionen aus den drei Bereichen «Kinder und Jugendliche», «Menschen mit Behinderung» und «Menschen im Alter». Im Rahmen einer Partnerschaft haben CURAVIVA und HIN für Verbandsmitglieder das HIN Abonnement HIN Pflege & Unterstützung lanciert.

Anna Jörger

Anna Jörger

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Mensch im Alter, CURAVIVA.

Stefan Müller
Autor: Stefan Müller - Senior Key Account Manager

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Privat zieht es mich ins Freie. Bei sportlichen Aktivitäten kann ich hervorragend meinen Kopf auslüften und das rund ums Jahr.  Vom rasanten Skifabfahrten über idyllisches Skitouring bis hin zum Inlineskaten, Biken, Kajak fahren und Stand up paddling, aber auch Yoga. Ausserdem bin ich begeistertes Mitglied im Sportclub und betreibe dort Fussball und Unihockey. Zwischendurch finde ich aber auch mal ruhige Stunden, in denen ich mich der Fotografie widme.

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